<< back   

 

 

Reise zur American Eclipse

 

 

Am 11. August 2017 saßen wir im Flugzeug auf dem Weg zur Totalen Sonnenfinsternis über den USA. 18 Jahre nach der verregneten Sonnenfinsternis 1999 über Deutschland! Die Finsternis vom 21. August 2017 wurde für mich im Grunde zur „wiederholten“ Finsternis vom 11. August 1999 (Saroszyklus Nr. 145) – doch diesmal ohne Regen.

 

Von Frankfurt ging es über Detroit nach Denver. Mit Zwischenstopp in Detroit waren es fast 30 Stunden, die unser sechsköpfiges Team bis Denver, der Hauptstadt von Colorado, unterwegs war. Denver liegt auf rund 1600 Meter Höhe am östlichen Fuß der Rocky Mountains, wo wir bereits am nächsten Tag den 4.347 Meter hohen Mount Evans erkundeten – eine Straße führt bis knapp unterhalb des Gipfels. Uns verblüffte, dass wir in dieser Höhe bei einem extrem scharfen Wind sogar auf Schneeziegen trafen.

 

 Snow goat on Mount Evans

 

In der Ferne gingen Regenschauer nieder, und ein Regenbogen schmückte die tiefergelegenen Berge.

 

Mount Evans: Over the Rainbow 

 

Wettersorgen machten sich keine breit – lag unser Zielgebiet deutlich weiter im Nordwesten im Wind-River-Basin mit den besten Wetterstatistiken, und wir hatten noch genügend Tage bis zur Finsternis. Zeit, um vor allem den ältesten Nationalpark der Welt zu besuchen: Der Yellowstone Nationalpark, der für seine geothermalen Quellen und Geysire bekannt ist, und in dem Bisons, Grizzlybären und Wölfe leben. Begrenzt durch Bergketten der mittleren Rocky Mountains liegt das UNESCO Weltnaturerbe auf einem Hochplateau von 2.400 Metern Höhe.

 

 

 

Der älteste Nationalpark der Welt

Bereits auf der Straße begegneten uns hin und wieder Bisons, die durch ihr Schritttempo regelrecht den Verkehr bestimmten. Sogar ein Grizzlybär ließ sich an einem Flussufer beobachten. Wir sahen die mächtigen Fontänen des Geysirs und bestaunten die schillernden Farben des „Grand Prismatic Spring“. Doch unverwechselbar war das dampfende Gelände im Norris-Geysir-Becken, dem eine ringförmige Bruchstelle aus Zeiten des Vulkanausbruchs vor 640.000 Jahren zugrunde liegt. Zwischen den Rauch- und Nebelschwaden bestaunten wir zur blauen Stunde Mond und Venus und sahen, wie die aufgehende Sonne die Szenerie in ein warmes, zauberhaftes Licht tauchte.

 

NightScape, Wyoming, USA 

Sofi-Reise, USA 2017 

Sofi-Reise, USA 2017 

 

Diese Atmosphäre lockte uns auch ein weiteres Mal an. Zwei aus unserem Team verbrachten die folgende Nacht auf einer Anhöhe unweit des Norris-Geysir-Beckens. Hier zeigte sich der Himmel von seiner schönsten Seite!

 

 

 

Die Sommermilchstraße überspannte das gesamte Firmament, umrahmt von den dunklen Wäldern. Viele Deep-Sky-Objekte konnten wir beobachten bei einer gemessenen Himmelshintergrundhelligkeit von 21,8 mag.

 

 

 

Mein Sky Quality Meter (SQM) zeigte abseits der Milchstraße auch höhere Werte bis 21,92 mag an. Das Limit wurde wohl nur durch das natürliche Leuchten der Luft (Airglow) hervorgerufen. Stunden später brillierte die Venus am Osthorizont, während die schmale Mondsichel folgte. Schon zwei Tage später wird Neumond sein – „The Great American Eclipse“. Spätestens jetzt steigt bei uns allen die Spannung und wir brechen nach Sonnenaufgang in Richtung Finsternis-Zone auf.

 

 

 

Trip in die Finsternis-Zone

Das frische Grün der Landschaft schwindet auf der Fahrt recht schnell – bis wir gegen Mittag in der kargen, felsigen Landschaft des Zielgebiets eintreffen.

 

Sofi-Reise, USA 2017 

Sofi-Reise, USA 2017 

Sofi-Reise, USA 2017 

 

Wir erkunden mehrere Orte im größeren Umfeld von Riverton, wo es im Indianer-Reservat der Schoschonen neben kleineren Tafelbergen auch einige Seen gibt.
Unweit von Riverton entdecken wir an einem See, dem Ocean Lake, malerische Felsen, die für die Finsternis Windschutz und zugleich eine attraktive Vordergrundkulisse für die Sonnenfinsternis bieten.

 

Sofi-Reise, USA 2017 

 

Auf der anderen Straßenseite liegt das Haus einer Farmerfamilie, die wir antrafen und die unseren Plan tatkräftig unterstützte. Sie stellten uns elektrischen Strom und WLAN zur Verfügung und boten zwei von uns, die über Nacht das Equipment aufbauen würden, sogar zwei Betten an! Eine ganz besondere Gastfreundschaft, die wir mit mehr als nur ein paar Sonnenfinsternis-Brillen, dankten.

In dem kleinen Städtchen Riverton werden wir am Folgetag im Rathaus erwartet und als Team empfangen, das den weiten Weg zur „Great American Eclipse“ angetreten ist. Im Rathaus stellt man uns den Kontakt zum örtlichen Meteorologen her, der uns die Wettersituation zur Zeit der Finsternis im Detail zu beschreiben versucht. Cirren werden vorausgesagt, die sich aber auflösen würden. Doch er sprach auch von weit entfernten Waldbränden, deren Rauch wegen der ungewöhnlichen Windverhältnisse nach Riverton gelangen würde.
Ein Ausweichmanöver entlang des Finsternis-Pfades wäre bei diesen diffusen Wetterverhältnissen nahezu zwecklos. Also stellten wir uns auf das ein, was kommen würde.

 

 

 

Eine kurze Nacht

Für den Aufbau des umfangreichen Equipments blieb nicht mehr viel Zeit. Noch am Vorabend baute ich meine Teleskope auf und justierte die Montierungen auf den Polarstern. Was ich in der Dunkelheit nicht sah, waren die zahlreichen Opuntien, mit denen der Boden auch zwischen den Felsen übersäht war. Die langen Nadeln des Gliederkaktus drangen fast ungehindert durch Schuhe und Hose. Zum Glück brachen nur die wenigsten Stacheln beim Herausziehen ab, was die Nacht erträglicher machte. Als bereits die Venus am Himmel stand, wurde mir klar, dass schon der Morgen angebrochen war. Leichte Zirren und Dunst trübten den Morgenhimmel. Ich war fertig und legte mich schlafen.

 

Twilight and Zodiacal Light - Eclipse Day 

 


Kaum drei Stunden später werde ich wach, als die anderen Teamkollegen eintreffen. Eine fast geschlossene Wolkendecke führt zu dem Entschluss, den Ort zu verlassen und in Richtung Casper auszuweichen. Jetzt ist es 9 Uhr Ortszeit. Um die Chancen auf eine erfolgreiche Beobachtung der Sonnenfinsternis zu erhöhen, teilt sich die Gruppe. Drei fahren nach Osten Richtung Casper, wir drei bleiben am Ocean Lake.
Der erste Kontakt beginnt. Durch die halbtransparenten Wolken kann ich die angebissene Sonne sehen. Auf den Felsen haben sich inzwischen etliche Sonnenanbeter gemütlich gemacht und mehr und mehr Teleobjektive und Ferngläser füllen das Gelände. Die partielle Phase findet hinter wechselnder Bewölkung statt.

 

Total Solar Eclipse 2017 

 

Im Nordwesten ist der Himmel fast wolkenfrei geworden. Würde das Wolkenband rechtzeitig zur Totalität den Himmel überquert haben? Ich habe bereits mein Notfallskript mit rasch aufeinanderfolgenden Belichtungswerten über meinen PC geladen, um eine der Kameras darüber zu steuern.

 

 

 

Im Kernschatten des Mondes

Die Schatten auf dem Boden erscheinen schärfer, und das Licht ist gelblich und fahl. Man merkt, dass hier etwas Ungewöhnliches passiert, während der Himmel mehr und mehr aufklart. Rund 10 Minuten vor dem 2. Kontakt bemerke ich: Der Himmel ist klar – die Wolkenbank hat uns überquert und liegt jetzt über dem Südhorizont. In Schritten wird es dunkler. Die Sonne ist schon zu einer hauchzarten Sichel geschrumpft. Anders als bei bisherigen Sonnenfinsternissen, sehe ich keine fliegenden Schatten, was für eine sehr ruhige Luft und gutes Seeing spricht. Kein Finsterniswind – absolute Windstille. Die Korona schält sich aus dem Himmelsblau, die letzten Sonnenstrahlen fallen durch die Mondtäler: Diamantring, Perlschnur – Totalität!

 

The Great American Eclipse 2017 

The Eclipse Rocks

Corona Earthshine 2017 

 

Feinste Streamer durchziehen die silbrig glänzende Sonnenkorona. Die Wolken über dem Südhorizont leuchten in irisierenden Gelb- und Rottönen. Venus glänzt weit rechts neben der Sonne, und unmittelbar links neben der schwarzen Sonne sehe ich Regulus. Mit den Augen verweile ich auf diesem Lichtpunkt, dem Haupstern des Löwen. Plötzlich nehme ich dunkle Strukturen auf dem Mond wahr! Vielleicht weil ich nach dem Prinzip des indirekten Sehens knapp daran vorbei schaue? Zum ersten Mal sehe ich das Erdlicht während einer Totalen Sonnenfinsternis – völlig ohne technische Hilfsmittel. Die Luft muss sehr klar geworden sein, und die Rauchschwaden sind vergessen. Die Kameras steuere ich unterdessen via PC und lasse mehrere Belichtungsserien laufen.
So kann ich in den 2:22 Minuten Totalität genügend unterschiedliche Belichtungen sammeln für ein High Dynamic Range-Komposit (HDR), das eben dieses Erdlicht und die Korona mit feinsten Strahlen zeigt. Ich bemerke, dass es wieder etwas heller wird. Das Farbenspiel am Horizont ändert sich rasch. Eine riesige Protuberanz schiebt sich rechts über den Mondrand, während die rosarote Chromosphäre den 3. Kontakt einläutet.

 

Chromosphere & Prominences, Eclipse 2017 

 

Und schon quillt eine gleißend helle Perle zwischen einem Mondtal hervor, dann noch eine und weitere, bis sie sich zu einem fulminanten Diamantring-Effekt verbinden, der das Licht zurückbringt und die Korona verblassen lässt.

 

The Great American Eclipse 2017 

The Great American Eclipse 2017 

Total Solar Eclipse 2017 


Die Saroszyklus-Finsternis Nr. 145 hatte es in sich! 1999 im Regen über Saarbrücken; 2017 ganz knapp unter besten Bedingungen! Unsere Teamkollegen, die am frühen Morgen der Wolkensuppe Richtung Casper entflohen, hatten übrigens auch Glück – sie sahen die Finsternis östlich auf einem Wüstenplateau mit Rundumsicht und 2:25 Minuten Totalität bei wolkenlosem Himmel. Also drei Sekunden länger als wir, da sie es noch näher in die Totalitätszone geschafft hatten.

 

 

Die komplette Bilderstrecke >